Das größte Gesundheitsproblem ist die Überlastung
Krebsgefahr durch Nachtdienste – eine aktuelle Studie beunruhigt Pflegekräfte, die regelmäßig nachts arbeiten. Wird genug getan, um sie vor gesundheitlichen Folgen des Schichtdienstes zu schützen? Wir fragten nach bei Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).
Frau Knüppel, einer aktuellen Studie zufolge erhöhen längerfristige Nachtdienste bei Pflegerinnen das Risiko, an Krebs zu erkranken. Wie ordnen Sie diese Ergebnisse ein?
Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko ist für Frauen mit Nachtschichten schon seit Jahren im Gespräch. Allerdings waren die Studien aus Dänemark, die das vermeintlich belegten, methodisch umstritten und die Aussage wissenschaftlich nicht haltbar. Auch die jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse eines internationalen Review zeigen erhebliche Schwächen. Es ist die Rede von einem erhöhten Risiko, an Krebs der Brust, der Lunge, des Gastrointestinaltrakts oder der Haut zu erkranken. Man sucht aber vergeblich nach Aussagen, ob die Erkrankten zum Beispiel Raucherinnen waren, wie sie sich ernährten, welches Freizeitverhalten sie hatten, wie lange und wie intensiv sie Nachtschichten geleistet hatten bis zur Erkrankung.
Welche Faktoren lösen tatsächlich all diese Krebsarten aus und gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang mit Nachtschichten? Hier wären weitere Fragen zu stellen wie: Sind Menschen, die Nachtschichten leisten, stärkere Raucher? Ernähren sie sich ungesünder und unregelmäßiger als Personen ohne Nachtarbeit? Die Empfehlungen für eine möglichst risikoarme Gestaltung von Nachtdiensten sind alle lange bekannt: nur wenige hintereinander, ein vorwärts rotierender verlässlicher Dienstplan, im Anschluss genügend ungestörtes Frei, damit die Umstellung gut gelingt und so weiter. Die gelten jetzt natürlich erst recht.
Schichtdienste sind in der Pflege unvermeidbar. Wird genug getan, um die Mitarbeiter vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen?
Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen bei Beschäftigten im Nachtdienst resultieren vor allem aus der hohen Arbeitsverdichtung. Die Nachtdienststudien der Pflegewissenschaftler aus Witten-Herdecke und die Erhebung von Verdi haben sowohl für die Krankenhäuser wie für die stationäre Altenhilfe katastrophale Personalschlüssel im Nachtdienst ergeben. Mehr als 50 und zum großen Teil schwer pflegebedürftige Bewohner muss die Nachtwache in vielen Häusern betreuen. In der Regel gibt es keine Ablösung, um die gesetzliche Pause nehmen zu können. Allein das ist gesetzwidrig. Gravierende Versorgungsmängel bleiben da nicht aus, ganz zu schweigen von den berufsbedingten Erkrankungen der Pflegenden, die durch schweres Heben und Tragen, Umlagern ohne Hilfe, ständigen Zeitdruck im Nacken und die übergroße Verantwortung für so viele Menschen ausgelöst werden. Nein, nach meiner Meinung wird bei weitem nicht genug getan, um beruflich Pflegende vor gesundheitlichen Schäden zu schützen.
Wie können die Arbeitgeber für bessere und gesündere Arbeitsbedingungen in der Pflege sorgen?
Für jeden Arbeitsplatz, gerade in der Pflege, sind Gefährdungsanalysen zwingend vorgeschrieben. Hier sollen nicht nur physische Gefährdungen, sondern auch Risiken für psychische Erkrankungen erfasst, dokumentiert und entsprechend gesundheitsfördernde Maßnahmen abgeleitet werden. Allerdings: die wenigsten Betriebe halten sich daran. Die Verpflichtung zur Gefährdungsanalyse wird flächendeckend ignoriert – und bisher überprüfen das die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften leider auch kaum, von Sanktionen ganz zu schweigen. In Gesundheitsschutz der Beschäftigten, gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung, Ergonomie, Prävention … wird bisher in der Pflege in Deutschland viel zu wenig investiert. Und wenn doch, dann häufig an den Beschäftigten und deren Bedürfnissen vorbei. Die hohen Krankheitsraten und die Tatsache, dass in der Pflege kaum jemand ein reguläres Rentenalter erreicht, sollten alle Alarmglocken klingeln lassen. Der Pflegefachkräftemangel hat eben auch damit zu tun und vor diesem Hintergrund sind die Prognosen für die Zukunft der Pflege dramatisch.
Sind die Rahmenbedingungen dafür gegeben oder wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Eigentlich müssten Arbeitgeber wissen, dass jeder Cent, der in Mitarbeiter und deren Gesundheit investiert wird, sich schnell und vielfach auszahlt. Ökonomen haben das wiederholt ausgerechnet, eine bessere Rendite gibt es nicht. Für die Pflege gilt: Wenn nicht sehr, sehr bald für wirklich spürbare, erheblich entlastende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gesorgt wird, kann das Ruder nicht mehr herumgerissen werden. Pflege als Beruf ist für den potenziellen Berufsnachwuchs so unattraktiv geworden, dass immer weniger junge Menschen dort einmünden. Der hohe Altersdurchschnitt in den Pflegeberufen ist ein großes Risiko für die Versorgungssicherheit. In wenigen Jahren steht uns eine große Verrentungswelle bevor. Was dann? Es führt kein Weg daran vorbei, alles dafür zu tun, damit Pflegefachpersonen so motiviert, engagiert, gesund und so lange wie irgend möglich in ihrem Beruf arbeiten können. Hierzu haben viele Arbeitgeber wie auch die politisch Verantwortlichen ihre Hausaufgaben längst nicht gemacht!
Mit Johanna Knüppel sprach Nicoletta Eckardt
Krebsgefahr durch Nachtdienste – eine aktuelle Studie beunruhigt Pflegekräfte, die regelmäßig nachts arbeiten. Wird genug getan, um sie vor gesundheitlichen Folgen des Schichtdienstes zu schützen? Wir fragten nach bei Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK).
Frau Knüppel, einer aktuellen Studie zufolge erhöhen längerfristige Nachtdienste bei Pflegerinnen das Risiko, an Krebs zu erkranken. Wie ordnen Sie diese Ergebnisse ein?
Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko ist für Frauen mit Nachtschichten schon seit Jahren im Gespräch. Allerdings waren die Studien aus Dänemark, die das vermeintlich belegten, methodisch umstritten und die Aussage wissenschaftlich nicht haltbar. Auch die jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse eines internationalen Review zeigen erhebliche Schwächen. Es ist die Rede von einem erhöhten Risiko, an Krebs der Brust, der Lunge, des Gastrointestinaltrakts oder der Haut zu erkranken. Man sucht aber vergeblich nach Aussagen, ob die Erkrankten zum Beispiel Raucherinnen waren, wie sie sich ernährten, welches Freizeitverhalten sie hatten, wie lange und wie intensiv sie Nachtschichten geleistet hatten bis zur Erkrankung.
Welche Faktoren lösen tatsächlich all diese Krebsarten aus und gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang mit Nachtschichten? Hier wären weitere Fragen zu stellen wie: Sind Menschen, die Nachtschichten leisten, stärkere Raucher? Ernähren sie sich ungesünder und unregelmäßiger als Personen ohne Nachtarbeit? Die Empfehlungen für eine möglichst risikoarme Gestaltung von Nachtdiensten sind alle lange bekannt: nur wenige hintereinander, ein vorwärts rotierender verlässlicher Dienstplan, im Anschluss genügend ungestörtes Frei, damit die Umstellung gut gelingt und so weiter. Die gelten jetzt natürlich erst recht.
Schichtdienste sind in der Pflege unvermeidbar. Wird genug getan, um die Mitarbeiter vor negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen?
Die negativen gesundheitlichen Auswirkungen bei Beschäftigten im Nachtdienst resultieren vor allem aus der hohen Arbeitsverdichtung. Die Nachtdienststudien der Pflegewissenschaftler aus Witten-Herdecke und die Erhebung von Verdi haben sowohl für die Krankenhäuser wie für die stationäre Altenhilfe katastrophale Personalschlüssel im Nachtdienst ergeben. Mehr als 50 und zum großen Teil schwer pflegebedürftige Bewohner muss die Nachtwache in vielen Häusern betreuen. In der Regel gibt es keine Ablösung, um die gesetzliche Pause nehmen zu können. Allein das ist gesetzwidrig. Gravierende Versorgungsmängel bleiben da nicht aus, ganz zu schweigen von den berufsbedingten Erkrankungen der Pflegenden, die durch schweres Heben und Tragen, Umlagern ohne Hilfe, ständigen Zeitdruck im Nacken und die übergroße Verantwortung für so viele Menschen ausgelöst werden. Nein, nach meiner Meinung wird bei weitem nicht genug getan, um beruflich Pflegende vor gesundheitlichen Schäden zu schützen.
Wie können die Arbeitgeber für bessere und gesündere Arbeitsbedingungen in der Pflege sorgen?
Für jeden Arbeitsplatz, gerade in der Pflege, sind Gefährdungsanalysen zwingend vorgeschrieben. Hier sollen nicht nur physische Gefährdungen, sondern auch Risiken für psychische Erkrankungen erfasst, dokumentiert und entsprechend gesundheitsfördernde Maßnahmen abgeleitet werden. Allerdings: die wenigsten Betriebe halten sich daran. Die Verpflichtung zur Gefährdungsanalyse wird flächendeckend ignoriert – und bisher überprüfen das die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften leider auch kaum, von Sanktionen ganz zu schweigen. In Gesundheitsschutz der Beschäftigten, gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung, Ergonomie, Prävention … wird bisher in der Pflege in Deutschland viel zu wenig investiert. Und wenn doch, dann häufig an den Beschäftigten und deren Bedürfnissen vorbei. Die hohen Krankheitsraten und die Tatsache, dass in der Pflege kaum jemand ein reguläres Rentenalter erreicht, sollten alle Alarmglocken klingeln lassen. Der Pflegefachkräftemangel hat eben auch damit zu tun und vor diesem Hintergrund sind die Prognosen für die Zukunft der Pflege dramatisch.
Sind die Rahmenbedingungen dafür gegeben oder wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Eigentlich müssten Arbeitgeber wissen, dass jeder Cent, der in Mitarbeiter und deren Gesundheit investiert wird, sich schnell und vielfach auszahlt. Ökonomen haben das wiederholt ausgerechnet, eine bessere Rendite gibt es nicht. Für die Pflege gilt: Wenn nicht sehr, sehr bald für wirklich spürbare, erheblich entlastende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gesorgt wird, kann das Ruder nicht mehr herumgerissen werden. Pflege als Beruf ist für den potenziellen Berufsnachwuchs so unattraktiv geworden, dass immer weniger junge Menschen dort einmünden. Der hohe Altersdurchschnitt in den Pflegeberufen ist ein großes Risiko für die Versorgungssicherheit. In wenigen Jahren steht uns eine große Verrentungswelle bevor. Was dann? Es führt kein Weg daran vorbei, alles dafür zu tun, damit Pflegefachpersonen so motiviert, engagiert, gesund und so lange wie irgend möglich in ihrem Beruf arbeiten können. Hierzu haben viele Arbeitgeber wie auch die politisch Verantwortlichen ihre Hausaufgaben längst nicht gemacht!
Mit Johanna Knüppel sprach Nicoletta Eckardt
© plainpicture
Pflegeversicherung: Das ändert sich ab 2017
Die Pflegeversicherung soll von Grund auf erneuert werden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe hat den Entwurf zu einem neuen Gesetz vorgelegt, das Menschen mit Demenz ab 2017 einen besseren Zugang als bisher zur Pflege ermöglichen soll. Das Pflegestärkungsgesetz II definiert neu, wer Pflege braucht, und legt ein neues Begutachtungsverfahren fest. test.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema. Drei Tabellen zeigen, was sich für die Pflege zu Hause und im Pflegeheim ändert.Aus drei Pflegestufen werden fünf Pflegegrade
Alles deutet darauf hin, dass ab 2017 auf das neue Begutachtungssystem umgestellt wird, und es künftig fünf Pflegegrade statt bisher drei Pflegestufen geben wird. Im Gesetz wird nun das umgesetzt, was seit fast zehn Jahren bereits angedacht und überprüft wurde – die Erweiterung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und somit die Gleichbehandlung von geistigen und körperlichen Einschränkungen. Im August 2015 soll der Gesetzentwurf vom Bundeskabinett beschlossen werden. Anschließend gibt der Gesundheitsausschuss seine Beschlussempfehlungen ab. Verabschiedet wird es voraussichtlich im November. Zum 1. Januar 2016 soll es in Kraft treten. Die Umstellung von Pflegestufen zu Pflegegraden ist für den 1. Januar 2017 vorgesehen.
Warum ist eine Umstellung notwendig?
Die Pflegeversicherung hatte bei ihrer Einführung vor 20 Jahren vor allem Menschen mit körperlichen Einschränkungen im Blick. Entscheidend war, wie mobil ein Pflegebedürftiger noch ist, und ob er sich selbst anziehen und ernähren kann. Im Laufe der Jahre hat sich diese Betrachtungsweise jedoch als nicht ausreichend herausgestellt. Menschen mit Demenz sind zwar oft körperlich noch in der Lage, bestimmte Dinge zu tun, haben aber vergessen, wie die einzelnen Handlungsschritte ausgeführt werden. Meist brauchen sie daher rund um die Uhr Anleitung und Betreuung durch andere. Das neue Verfahren zur Begutachtung schließt nun geistige und psychische Beeinträchtigungen mit ein. In Zukunft soll es keine Rolle mehr spielen, ob körperliche oder geistige Gebrechen zur Pflegebedürftigkeit führen.
Was sich konkret ändert
Ich bin pflegebedürftig, was ändert sich durch das neue Gesetz für mich?
Anstelle der drei Pflegestufen soll es ab 2017 fünf Pflegegrade geben. Wichtig bei der Einstufung wird künftig sein, wie selbstständig der Versicherte noch ist – das heißt, ob er oder sie auf die Unterstützung von anderen angewiesen ist. Mit dem neuen Verfahren fällt auch das Zählen von Minuten, die zur Pflege nötig sind, durch den Gutachter weg.
Wie läuft die Begutachtung nach dem neuen Verfahren ab?
Das Maß für die Einschätzung von Pflegebedürftigkeit soll zukünftig der Grad der Selbstständigkeit eines Menschen sein – also wie selbstständig er ohne Hilfe und Unterstützung von anderen sein Leben führen kann. Hierfür gibt der Gutachter seine Einschätzung ab. Sechs Lebensbereiche sind dabei von Bedeutung.
- Mobilität
- geistige und kommunikative Fähigkeiten
- Verhalten
- Selbstversorgung
- Umgang mit Erkrankungen und Belastungen
- soziale Kontakte.
In jedem Bereich werden je nach Stärke der Beeinträchtigung Punkte vergeben, die am Ende zusammengezählt werden. Die Gesamtpunktzahl entscheidet über den Pflegegrad. Bei der bisherigen Einstufung in Pflegestufen wird nur der Hilfebedarf bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung erfasst.
Muss ich Angst vor einer Schlechterstellung haben?
Nein. In der Phase der Umstellung wird niemand schlechter gestellt. Bestehende Pflegestufen werden in entsprechende Pflegegrade umgewandelt. Ein Versicherter in Pflegestufe I mit Demenz, der zuhause gepflegt wird, wechselt dann in Pflegegrad 3. Finanziell heißt das, dass er statt bisher 316 Euro ab 2017 545 Euro im Monat bekommt.
Pflege zuhause ab 2017
Für die Pflege zuhause gibt es Pflegegeld für Angehörige und Hilfe von Profikräften. Künftig soll es Pflegegrade statt Pflegestufen geben. Pflegegrad 1 kommt neu hinzu.
Aktuell | Ab 2017 | ||||
---|---|---|---|---|---|
Pflegestufe | Monatliche Leistungen ... (Euro) | Pflegegrad | Monatliche Leistungen ... (Euro) | ||
Pflegegeld | Pflegedienst | Pflegegeld | Pflegedienst | ||
Ohne Demenz | |||||
I | 244 | 468 | 2 | 316 | 689 |
II | 458 | 1 144 | 3 | 545 | 1 298 |
III | 728 | 1 612 | 4 | 728 | 1 612 |
Mit Demenz | |||||
0 | 123 | 231 | 2 | 316 | 689 |
I | 316 | 689 | 3 | 545 | 1 298 |
II | 545 | 1 298 | 4 | 728 | 1 612 |
III | 728 | 1 612 | 5 | 901 | 1 995 |
Härtefall1 | – | 1 995 | 5 | 901 | 1 995 |
- 1 Der Härtefall deckt die Pflege mit außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand mit und ohne Demenz ab.
Pflege im Heim ab 2017
Auch bei der Pflege im Heim gibt es außer in Pflegestufe I und II ohne Demenz mehr Geld. Pflegebedürftige mit dieser Einstufung haben jedoch Bestandsschutz. Das heißt, sie bekommen auch zukünftig denselben Betrag von der Pflegekasse, den sie bisher in ihrer Pflegestufe erhalten haben. Erst bei einem Antrag auf Höherstufung von Pflegeleistungen wird nach den neuen Regeln begutachtet und eingestuft. Zudem soll der Eigenanteil von Heimbewohnern unabhängig von der Pflegestufe bei 580 Euro festgeschrieben werden. Im Moment steigt mit Höhe der Pflegestufe meist auch der Eigenanteil, den das Heim vom Bewohner verlangt.
Aktuell | Ab 2017 | ||
---|---|---|---|
Pflegestufe | Monatliche Leistungen … (Euro)im Pflegeheim | Pflegegrad | Monatliche Leistungen … (Euro)im Pflegheim |
Ohne Demenz | |||
I | 1064 | 2 | 770 |
II | 1330 | 3 | 1262 |
III | 1612 | 4 | 1775 |
Mit Demenz | |||
0 | – | 2 | 770 |
I | 1064 | 3 | 1262 |
II | 1330 | 4 | 1775 |
III | 1612 | 5 | 2005 |
Härtefall1 | 1995 | 5 | 2005 |
- 1 Der Härtefall deckt die Pflege mit außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand mit und ohne Demenz ab.
Künftig einheitlicher Entlastungsbetrag
Wird aus Pflegestufe 0 automatisch Pflegegrad 1?
Nein. Pflegegrad 1 kommt ganz neu hinzu. Er steht Versicherten zu, die oft im geringen Maß körperlich eingeschränkt sind. Die Leistungen der Pflegeversicherung sind dafür gedacht, dass ein Mensch noch möglichst lange zuhause wohnen kann. Zu den Leistungen gehören eine Pflegeberatung in den eigenen vier Wänden, Hilfsmittel zur Pflege, sowie Zuschüsse für den barrierefreien Umbau der Wohnung (4 000 Euro pro Maßnahme) und das Wohnen in einer betreuten Wohngruppe (205 Euro monatlich). Wählt der Versicherte doch das Heim, steht ihm in Pflegegrad 1 ein Zuschuss von 125 Euro zu.
Was ist mit anderen Leistungen wie den zusätzlichen Betreuungsleistungen und auch der Verhinderungspflege. Ändert sich hier etwas für mich?
Bisherige Leistungen der Pflegeversicherung wie das Recht auf Pflegeberatung, Zuschüsse für barrierefreien Umbau oder Hilfsmittel für die Pflege wird es weiterhin geben. Für 4 Wochen Kurzzeitpflege in einer Pflegeeinrichtung oder die Ersatzpflege bei der Vertretung des pflegenden Angehörigen gibt es 1 612 Euro im Jahr. Beide Leistungen können auch weiterhin kombiniert werden.
Statt der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe von 104 Euro für alle Pflegebedürftigen und 208 Euro für Pflegebedürftige mit einer stark ausgeprägten Demenz soll es ab 2017 einen einheitlichen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro geben. Das Geld gibt es zum Beispiel, wenn ein Pflegedienst vorliest oder mit spazieren geht. Auch kann es für die Tagespflege, die Kurzzeitpflege und Betreuungsangebote verschiedener Dienste genutzt werden.
Tages- und Nachtpflege ab 2017
Die Leistungen der Tagespflege erhöhen sich. In Pflegegrad 2 soll es ab 2017 698 Euro statt bisher 231 Euro in Pflegestufe 0 geben.
Aktuell | Ab 2017 | ||
---|---|---|---|
Pflegestufe | Monatliche Leistungen ... (Euro) | Pflegegrad | Monatliche Leistungen...(Euro) |
Mit und ohne Demenz | |||
0 | 231 | 2 | 689 |
I | 689 | 3 | 1 298 |
II | 1 298 | 4 | 1 612 |
III | 1 612 | 5 | 1 995 |
Was die Reform kostet
Schon Anfang des Jahres sind zahlreiche Leistungsverbesserungen in Kraft getreten. Der Beitrag stieg um 0,3 Prozent auf 2,35 Prozent und für Kinderlose auf 2,6 Prozent. Für 2017 ist eine weitere Steigerung um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent geplant, Kinderlose zahlen dann 2,8 Prozent. 5 Milliarden nimmt die Pflegeversicherung so zusätzlich zur Finanzierung der Umstellung ein.
Finanztest-Spezial Pflege
Das Finanztest-Spezial Pflege zeigt, wie sich jeder auf eine Pflegesituation vorbereiten kann und was zu tun ist, wenn sie eintritt. Das Heft hat 112 Seiten und ist für 8,50 Euro im test.de-Shop erhältlich (6,50 Euro als PDF-Download). Es bietet Orientierung über die derzeitigen staatlichen Hilfen bei der Pflege von Angehörige und zeigt, wie man rechtlich und finanziell vernünftig vorsorgt (Stand 2015).
Wenn Alzheimer-Kranke in Thailand Pflege finden
Eine exotische Form der Betreuung von Alzheimer-Patienten wird beliebter: die Pflege fernab der Heimat – beispielsweise in Thailand. Das ist günstiger, doch es beunruhigt auch die Experten. Von Denis D. Gray
500.000 Vollzeitkräfte werden fehlen – die Bertelsmann Stiftung prognostiziert eine dramatische Versorgungslücke. In Rheinland-Pfalz gerät Malu Dreyer in die Kritik.
Die Versorgungslücke in der Pflege wird bis zum Jahr 2030 vor allem in den Kommunen für große Herausforderungen sorgen. Während die Zahl der Pflegebedürftigen um rund 50 Prozent zunehmen wird, werden nach heutigen Berechnungen ohne grundlegende Weichenstellungen rund eine halbe Millionen Stellen für Vollzeitkräfte in der Pflege unbesetzt bleiben. Dies prognostiziert der neue „Pflegereport 2030“ der Bertelsmann Stiftung.
Auf Basis der Bevölkerungsvorausberechnung sowie der Pflegestatistik 2009 des Statistischen Bundesamtes führte Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen die Studie durch.
Waren im Dezember 2009 in Deutschland 2,34 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung, wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen laut der Bertelsmann-Studie bis ins Jahr 2030 auf 3,4 Millionen und bis 2050 sogar auf 4,5 Millionen erhöhen.
Große regionale Unterschiede
Allerdings stellt sich die Situation für die einzelnen Bundesländer und vor allem auf kommunaler Ebene sehr unterschiedlich dar. So weisen die Modellrechnungen für den Stadtstaat Bremen im Zeitraum von 2009 bis 2030 ein Wachstum der Zahl der Pflegebedürftigen von 28 Prozent aus, während die Wachstumsrate für Mecklenburg-Vorpommern mit 56 Prozent annähernd doppelt und für Brandenburg mit 72 Prozent sogar mehr als 2,5-mal so hoch ist.
Im Vergleich zum bundesweiten Anstieg der Fallzahlen von durchschnittlich 47 Prozent zeigen sich auch für Berlin (56 Prozent), Bayern (54 Prozent), Schleswig-Holstein (54 Prozent) und Baden-Württemberg (54 Prozent) erhebliche Steigerungsraten.
Auf der kommunalen Ebene sind die Unterschiede sogar noch stärker ausgeprägt: Hier reichen die Steigerungsraten von knapp 14 Prozent (Landkreis Goslar) bis zu mehr als 100 Prozent (Landkreis München, Landkreis Oberhavel), wobei die Dynamik fast ausschließlich von der Altersstruktur in der jeweiligen Kommune abhängt.
Unter www.wegweiser-kommune.de stehen Informationen darüber zur Verfügung, wie es um die Pflegesituation in jedem Kreis beziehungsweise jeder kreisfreien Stadt bestellt ist.
Das Problem ist längst bekannt
„Der drohende Pflegenotstand ist längst bekannt; die Reaktionen reichen jedoch von schlichter Panikmache bis hin zur Vogel-Strauß-Haltung. Wir wollen weder das eine noch das andere, sondern mit dem Pflegereport Bevölkerung und Politik auf die vor uns liegende Wegstrecke für eine nachhaltige und sozial gerechte Bewältigung der künftigen Pflegebedarfe vorbereiten“, sagte Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, bei der Vorstellung des Pflegereports in Berlin.
Zukünftig werden die notwendigen Leistungen in der Pflege von professionellen Kräften allein nicht zu erbringen sein. Daher ist es notwendig, bei der Verwirklichung bedarfsgerechter Pflegekonzepte auf die Vernetzung aller verantwortlichen Personen und Institutionen zu achten, von der Stadtplanung über Wohnungsbaugesellschaften, Pflegekassen bis hin zu Leistungsanbietern.
Plädoyer für „Reha vor Pflege“
„Den Grundsätzen ‚Rehabilitation vor Pflege‘ und ,ambulant vor stationär‘ muss auf allen Ebenen Geltung verschafft werden. Wir brauchen darüber hinaus eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft, um die Chancen des längeren und gesünderen Lebens für die Bewältigung der demographischen Risiken zu nutzen“, so Mohn weiter. „Darum wollen wir Entscheidungsträger auf Bundes-, Landes-, aber vor allem auf kommunaler Ebene ermutigen, den Kopf auch bei düsteren Prognosen nicht in den Sand zu stecken, sondern die Zeit bis 2030 zu nutzen, um dem Pflegenotstand in der eigenen Region zu begegnen.“
Den Kommunen kommt hierbei eine maßgebliche Rolle für die Prozess- und Angebotskoordinierung zu. Unabdingbare Voraussetzung ist daher eine Umsteuerung und Bündelung der entsprechenden Finanzquellen, um es den Kommunen zu ermöglichen, eine entsprechende Unterstützungs- und Vernetzungsstruktur aufzubauen und dauerhaft zu unterhalten.Malu Dreyer wird attackiert
Am schnellsten auf die Bertelsmann-Studie reagierte die CDU in Mainz. Sie attackierte die Sozialministerin Malu Dreyer (SPD). Die rot-grüne Landesregierung ist nach Ansicht der Opposition für den „Pflegenotstand“ in Rheinland-Pfalz mit verantwortlich. Dreyer (die Deutschlands erste Ministerpräsidentin mit Multiple Sklerose sein wird), verharmlose aktuelle Probleme und trage selbst zu einer Verschärfung der Situation bei, sagte die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Hedi Thelen, heute in Mainz. Seit Jahren handele die Landesregierung Pflegesätze aus, die unter der tariflich vereinbarten Steigerung der Personalkosten lägen. So könne nicht kostendeckend gearbeitet werden.
(Bertelsmann Stiftung/dapd/RP)